Hinter verschlossenen Türen (6)

Einen wunderschönen guten Abend,

es wird mal wieder Zeit für einen neuen Teil von „Hinter verschlossenen Türen“. So langsam erkämpft sich die Story mehr Raum als ich eigentlich für sie vorgesehen hatte, aber es macht einfach Spaß sie zu schreiben. Über Rückmeldungen dazu freue ich mich natürlich wie immer sehr. Bald kommen auch wieder neue Gedichte, neue Auftrittstermine und Infos über die Veröffentlichungen für 2013 hier auf dem Blog. Man darf gespannt sein.
Ich wünsche ein schönes Wochenende,

Fühlt euch gegrüßt,
Arno / Larry

Hinter verschlossenen Türen – PDF

6.  Kapitel

Sie stürmten beinahe gleichzeitig um die Ecke und hin zur Tür. Lisa-Marie lag bewusstlos am Boden. Peter wollte zu ihr hin, doch eine Hand packte ihn an der Schulter und hielt ihn an Ort und Stelle.
»Was?«, entfuhr es ihm, während er sich mit verständnislosem Blick umdrehte.
Lewandowski sah ihn mit ernster Miene an und schüttelte leicht den Kopf ohne etwas zu sagen. Peter drehte sich zurück. Sofort wurde ihm klar, warum Lewandowski ihn zurückgehalten hatte. Lisa-Marie lag noch immer auf der anderen Seite der Tür. Der Versuch zu ihr zu gelangen hätte ihn ebenfalls zu Boden gestreckt, nur auf dieser Seite. Er spürte, wie es in ihm loderte. Wie sehr er Lisa-Marie beschützen wollte. Er musste sich zusammenreißen.
»Wo ist der Cop hin?«, hörte er Lewandowskis raue Stimme fragen. Als Peter keine Anstalten machte, erneut loszustürmen, lockerte sich der Griff an seiner Schulter. Er sah sich nach allen Seiten um.
»Er bringt erstmal den Gefangenen in die Zelle, vermute ich. Wahrscheinlich kommt er danach zurück oder… «
»Oder er ruft gerade Verstärkung«, beendete Lewandowski den Satz für ihn.
»Sag Skinny Bescheid – Plan B«, sagte Peter mit Blick zu Lewandowski. Der ließ ihn los und drehte sich weg. Im Gehen zog er sein Handy aus der Hosentasche.
Lewandowski musste sich aus dem Schussfeld begeben. Unter anderen Umständen hätte Peter ihn gerne an seiner Seite gehabt, samt all seiner Gadgets und elektronischen Spielereien. Aber wenn der Android zurückkehrte und sie Lisa-Marie befreiten, konnte es sein, dass der es dabei schaffte, Lewandowski zu identifizieren. Das konnte ihre Pläne für den dritten Oktober ruinieren.
Während Lewandowski sich entfernte, blieb Peter an der Tür stehen. Er vergewisserte sich, dass die beiden von Fluffy betäubten Androiden noch immer stillstanden und versuchte seinen Blutdruck niedrig zu halten. Er merkte, wie sehr ihm die Routine der Jobs nach der Zeit im Knast fehlte.

»Fluffy?«
Er sagte es leise, unsicher, ob sich dieser in der Nähe befand. Sofort lugte der Kopf des Androiden um die Ecke und sah ihn an. Er hatte neben Lisa-Marie gewartet.
»Wenn ich dir ein Signal gebe, trägst du sie hinaus. Bring sie zu mir dort rüber. Es sollte funktionieren. Sie darf auf keinen Fall verletzt werden, in Ordnung?«
Fluffy nickte, zog seine Pistole aus dem Holster am Gürtel und hob die bewusstlose Frau auf seine Arme. Der andere Cop war noch nicht zurückgekommen, es konnte sich nur um Minuten handeln.
Peter zog sein Handy aus dem Gürtel und rief Lewandowski an. Mittlerweile musste er in seinem Pick-up angekommen sein. Im besten Fall war er bereits dabei sich einzuloggen.
Peter hatte sich heute morgen von Fluffy die Zugangscodes für das Netz des Gefängnisses geholt und sie Lewandowski geschickt, für Notfälle. Hoffentlich schaffte der es, damit die Durchgangssperre wenigstens für ein paar Sekunden zu deaktivieren.
»Ich bin dran«, meldete sich Lewandowski.
»Hast du Skinny erreicht?«
»Der ist auf dem Weg. Sein Auto steht drei Blocks entfernt, das müsste zu schaffen sein.«
In diesem Augenblick erklangen die Sirenen. Nicht in der Ferne, sondern viel zu nah.
»Hast du… «, setzte Peter an, Lewandowski unterbrach ihn sofort.
»Ja, hab ich gehört. Ich muss mich beeilen, wenn sie erstmal den Rechner hier als nicht-staatlich identifiziert haben, werden sie mich augenblicklich aus dem Netz werfen. Es kann nicht mehr lange dauern.«
Seine Stimme klang gepresst und angespannt. Im Hintergrund erklang das ununterbrochene Klackern von Tasten.
Peter versuchte, die Richtung zu identifizieren, aus der die Sirenen kamen. Wenn er sich nicht irrte, dann von links aus Richtung Innenstadt. Er zog sich mit einem letzten Blick auf Fluffy, der die noch immer bewusstlose Lisa-Marie auf seinen Armen hielt, hinter die andere Hausecke zurück.
»Ich hab‘s«, rief Lewandowski. Die Euphorie war deutlich zu hören. »Jetzt oder nie!«
»Verwisch deine Spuren«, raunte Peter. In diesem Augenblick bogen die Polizeiwagen um die Ecke. Der Erste kam kurz vor der Tür zum Gefängnis zum Stehen, der Zweite mit quietschenden Reifen dahinter. Sicher waren noch mehr im Anmarsch.
»Fluffy, jetzt!«, rief Peter so laut er konnte und sah, dass Fluffy loslief und es durch die Tür schaffte. Ein Schuss fiel und der Android stolperte. Peter hielt das silberne Kreuz an seinem Hals umklammert und versuchte ruhig zu bleiben und zu begreifen, was passiert war. Der Schuss war nicht aus Richtung der Polizeiwagen gekommen. Es musste der Android gewesen sein, der Polizist, der vorhin einen Gefangenen hier eingeliefert hatte.
Peter sah vor seinem geistigen Auge, wie Fluffy hinfiel, wie Lisa-Marie von Kugeln übersät auf dem Boden aufschlug. Sah, wie er selbst um sein Leben rannte. Doch der Android lief weiter, als wäre nichts passiert, obwohl ihn die Kugel getroffen haben musste. Dabei schützte er noch mit seinem Körper den von Lisa-Marie. Kaum zu glauben. Wo blieb Skinny nur?
»Wir brauchen mehr Zeit!«, schrie Peter ins Handy.
»Okay, okay. Wenn ich den Code hier richtig einschätze, kann ich dir ein bisschen Zeit verschaffen.«
Mehr Klackern folgte, schneller als zuvor. Die Cops stiegen aus ihren Autos, nicht sicher, wie sie reagieren sollten. Es gab kein klares Programm für diese Situation. Aus ihrer Sicht feuerte ein Polizist im Inneren des Gefängnisses auf einen anderen außerhalb, der eine leblose Frau trug. Sie alle hatten ihre Waffen gezogen, doch bisher schoss keiner. Auch Fluffy war clever genug, keine Schüsse abzugeben.
»Okay, jetzt musst du nur den Gefangenen mitteilen, dass sie frei sind.«
Lewandowski sagte das ganz lapidar, als sei es nichts Weltbewegendes.
»Ich mach mich vom Acker, sonst hab ich hier auch gleich Besuch. Viel Erfolg!«
Peter überlegte einen Moment was er tun sollte, dann holte er tief Luft und rief: »Ihr seid frei! Lauft, so schnell ihr könnt!«
Blitzschnell zog er sich wieder ganz aus dem Sichtfeld der Cops zurück.
Für einen Moment schien nichts zu passieren, dann hörte er, wie hinter der Mauer jemand etwas von Freiheit schrie. Wie ein Lauffeuer ging der Ruf von Zelle zu Zelle. Peter wagte einen Blick um die Hausecke, im selben Moment peitschte ihm ein Schuss entgegen, der ihn nur knapp verfehlte. Er wusste nicht, ob er ihm oder Fluffy gegolten hatte, der jetzt in seine Richtung unterwegs war.
Peter hörte Lewandowski eine Querstraße entfernt wegfahren. Nein, er konnte das nicht sein, das Motorengeräusch kam auf ihn zu. Das war Skinny. Er hatte es endlich geschafft, seinen fahrbaren Untersatz herzubringen. Wieder ein Schuss, dann mehrere Schüsse in ihre Richtung. Immer wieder feuerte Fluffy jetzt nach hinten und schützte Lisa-Marie mit seiner Schulter. Gleich würden die Gefangenen beginnen, aus der Tür zu strömen.
Skinny riss das Steuer herum und kam mit einer Drehung schleudernd wenige Meter nach der Häuserecke zum Stehen. Erneut peitschten Schüsse. Peter betätigte den Auslöser in seiner Hosentasche. Die Explosion zerriss das schwarze Tape, das sie an der Tür angebracht hatten. Ein letzter Hauch von Ablenkung.
»Da rein!«, rief er Fluffy zu, der sofort begriff, was ablief und Lisa-Marie auf den Rücksitz bugsierte. Sie war gerade dabei, das Bewusstsein wiederzuerlangen und wehrte sich instinktiv gegen die mechanische Behandlung. Zum Glück schaffte er es, auch wenn sie vermutlich blaue Flecken davon tragen würde. Peter schmiss sich auf den Beifahrersitz, spürte ein unangenehmes Knirschen, als er auf dem Sitz aufkam, und rief laut: »Fahr los!«
Nichts passierte. Er drehte sich zu Skinny um und sein Magen vollführte einen Salto. Er hatte angenommen, Skinnys sicheres Auto, mit dem er so gern prahlte, wäre komplett kugelsicher, offensichtlich galt das jedoch nur für die Front- und Heckscheibe. Eine Kugel hatte bei seinem Wendemanöver das Seitenfenster durchschlagen und ihm den halben Hals aufgerissen. Die Menge an Blut, die aus der klaffenden Wunde strömte, ließ Peter würgen. Skinny rührte sich nicht. Jetzt blieb keine Zeit für nähere Untersuchungen, nicht mal für ein stummes Gebet. Die Polizisten kamen näher, Kugeln flogen ihnen um die Ohren. Die Glasscherben auf denen er saß machten das Ganze nicht angenehmer. So schnell er konnte, zog er ein Bein über die Mittelkonsole. Er schob Skinnys ein wenig zur Seite und trat mit dem linken Fuß das Gaspedal durch. Er überwand die Abscheu, die ihn bei der Berührung von Skinnys leblosen Händen überkam, griff ins Lenkrad und schaffte es knapp, nicht direkt in die nächste Hauswand zu donnern. Hinter ihm ertönte ein entsetzter Aufschrei, dann eine brüchige Stimme, die fragte: »Was ist passiert?«
Lisa-Marie war endgültig aufgewacht und hatte Skinnys Wunde bemerkt.
»Lass uns erstmal aus der Schusslinie kommen«, sagte Peter nervös, während er in die Seitenstraße einbog, aus der eben noch Skinny quietschlebendig erschienen war, um sie hier rauszuholen. So eine Scheiße.
Der letzte Blick zurück, bevor sie außer Sichtweite der Tür gewesen waren, hatte ihm gezeigt, dass es zwar immer mehr Autos der Bullen wurden, aber nur eines Anstalten machte, ihnen zu folgen. Mittlerweile drangen die ersten Gefangenen durch das Tor in die Freiheit und viele der Polizisten wandten sich diesem deutlich größeren Problem zu. Peter jagte die rote Schrottkiste so schnell sie konnte durch Berlins Innenstadt. Peter sah in den Rückspiegel, sie gewannen Abstand gegenüber dem Auto der Cops. Nicht weit vor ihm tauchte rechter Hand das Haus auf, in dem er sich die letzten Tage versteckt hatte. Unbewusst hatte er die ursprünglich geplante Route genommen, doch er fuhr weiter, um nicht auf das sichere Haus aufmerksam zu machen. Warum schalteten die Cops ihr Blaulicht nicht an? Um nicht zu viele Blicke auf sich zu ziehen?
Die Verfolgungsjagd ging nur wenige Minuten, in denen der Abstand zwischen ihnen immer größer wurde. Jetzt gaben die Polizisten auf und ließen sich zurückfallen. War ihr Auto defekt oder wirklich so langsam? In dem Augenblick hörte er ein leises Röcheln, dann ein Husten direkt neben sich. Vielleicht hatte Skinny doch noch eine Chance.
Peter atmete auf und wandte sich an seine Ex-Freundin.
»Weißt du die Nummer vom Doc noch?«
»Ja, wieso?«
Er zog sein Handy aus der Tasche und warf es ihr nach hinten.
»Sag ihm, dass wir ihm in zehn Minuten einen Besuch abstatten und dass er die Garage öffnen soll. Ich will keine unnötige Aufmerksamkeit.«
»Als ob wir da jetzt nicht schon genug von hätten«, seufzte Lisa-Marie leise.

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